Veranstaltungen 2008  
 
 
 
 
 
 
 
   
   
   
   
   
   
Jedes Jahr werden zur Frankfurter Buchmesse tonnenweise Papier bedruckt. Wir wollen linken AutorInnen und Verlagen ein Forum für kritische Gedanken bieten  
 

14Lange Lesenacht

14.1

Strategie der Spannung

Ein Bündel Bomben

P.A.C.K., bahoe books

Die Strategie der Spannung (strategia della tensione) wurde in den 1970ern in Italien zur Diskreditierung der wachsenden autonomen Bewegung, die in diesen Jahren durch Streiks, Hausbesetzungen und militante Demos laufend Zustrom erhielt, eingesetzt. Durch staatliche Netzwerke und paramilitärische faschistische Gruppen wurde eine Serie von willkürlichen Bombenanschlägen an öffentlichen Plätzen durchgeführt, deren Urheberschaft mit Hilfe der Medien den Anarchisten und allgemein der Linken in die Schuhe geschoben wurde. Eine Entsolidarisierung der Bevölkerung und ein allgemeines Bedürfnis nach Ruhe und nach einem Ende dieser bleiernen Jahre (anni di piombo) voller sozialer Auseinandersetzungen war die Folge.

Vorliegende Graphic Novel wurde 1975 in einer Auflage von 600.000 Stück in ganz Italien in Umlauf gesetzt, um auf einfache und verständliche Weise über die Hintergründe und Methodik des ersten Anschlags am 12. Dezember 1969 in Mailand, bei dem 17 Passanten getötet und 88 weitere Menschen verletzt wurden, aufzuklären.


14.2

Islam und Aufklärung

Türkische Kaffeehäuser in Paris

P.A.C.K., Edition Contra-Bass

Lesung mit Gerd Stange

Die Angst vor dem Islam und abendländische Überheblichkeit spielen eine wesentliche Rolle in der europäischen Flüchtlingspolitik. Zentral ist die Behauptung: „Das christliche Abendland unterscheidet sich von allen anderen Kulturen dadurch, dass es im 18. Jahrhundert die Aufklärung gab“.

Es ist aber gerade nicht das Christentum, dem wir die Aufklärung verdanken, im Gegenteil. Jahrhundertelang hatte die islamische Kultur einen emanzipatorischen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung in Europa – durch Toleranz gegenüber Christen und Juden und durch intellektuelle Offenheit.
Die Zeiten der muslimischen Herrschaft im Mittelmeer von Sizilien bis Andalusien schufen die Voraussetzungen zur Renaissance. Die katholische Reaktion waren Kreuzzüge und Inquisition.

Das Osmanische Reich auf dem Balkan bereitete die Aufklärung vor. Es war Frankreichs Bündnispartner. Die türkische Kaffeehaus-Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts war dazu geeignet, die freie Meinungsäußerung öffentlich zu praktizieren. Sie verbreitete sich über Europa und schuf eine bürgerliche Öffentlichkeit mit Cafés in Paris, Wien, London, Venedig, Hamburg etc.
In Paris führte die Kaffeehaus-Kultur zur Entwicklung kritischer Denkrichtungen und emanzipatorischer Ideen bis zur Revolution 1789.


14.3

Anarchismus und Geschlechterverhältnisse

P.A.C.K., Edition AV

Lesung mit Antje Schrupp

Obwohl die Pariser Kommune von 1871 formal gesehen eine „Männerangelegenheit“ war – es gab, anders als noch 1848, nicht einmal Diskussionen darüber, dass Frauen das Wahlrecht bekommen – haben sich Frauen dennoch auf vielfältige Weise in der Kommune engagiert: Sie organisierten das schwierige Alltagsleben in der besetzten Stadt in Genossenschaften, gründeten Debattierklubs, schrieben politische Texte, kämpften auf den Barrikaden. Der größte Frauenverband, die „Union des Femmes“ organisierte die Arbeiterinnen und setzte sich gegenüber der Kommuneregierung für die Belange von Frauen ein. Andere schrieben propagandistische Texte zur Verteidigung der Kommune, kritisierten aber auch autoritäre Tendenzen innerhalb der Kommuneführung. Unterschiedliche feministische Strömungen waren sich dabei durchaus nicht immer einig. Antje Schrupp stellt in ihrem Text, einem Beitrag zu dem von Philippe Kellermann herausgegebenen Sammelband „Anarchismus und Geschlechterverhältnisse“, die wichtigsten Akteurinnen – u.a. Elisabeth Dmitrieff, Natalie Lemel, André Léo, Louise Michel und Paule Minck – vor und zeichnet ihre Debatten nach.


14.4

Rede auf drei Stühlen

P.A.C.K., bahoe books

Lesung mit Ale Dumbsky

Lange Märsche, Parteigründungen, auf dem Boden des Grundgesetzes fest gedübelt und geschraubte Protestbewegungen, Wutbürger immer wieder als witzige Tigerchen kreativ gestartete und als Bettvorleger gelandete, naja, Bettvorleger halt. Ein ausgeleierter Ringelpietz von untertänigsten Reformanliegen, ein an furchtbar phantasievollen Nachmittagen auf dem Bauch kriechendes mit-regieren-wollen mit einem Kiefer voller Milchzähne. Erkenntnisgewinn: Null. Oder vielleicht noch die Auffrischung der nun wirklich steinalten Erkenntnis, dass Kapitalismus und all der daraus entstehende Terror sich so allerhöchstens kosmetisch behandeln lässt. Also das alte Beil geschultert und humorlos ran an die Wurzel.


14.5

Lena Halberg – New York ’01

P.A.C.K., Edition AV

Lesung mit Ernest Nybørg

Fassungslos starrt der Beamte im Block 7 des World Trade Center auf die beiden brennenden Türme vor ihm. Minuten später wird sein Büro evakuiert und er entgeht dem sicheren Tod.

Die Journalistin Lena Hlberg entdeckt einige Jahre später einen Hinweis auf Zahlungen aus Washington an einen der Attentäter. Wieder war der Auftraggeber Arthur Bronsteen, einer der größten Rüstungsproduzenten. Im Zuge der Nachforschungen stößt Lena auf seine verdeckten Börsentransaktionen vor dem Terroranschlag, auf einen illegalen Waffendeal in ein Krisengebiet und Verbindungen zu afrikanischen Kriegstreibern.

Die Recherchen führen Lena nach New York, Rom und Marseille, wo sie ins Visier von Bronsteens korrupten Bankers gerät und ein afrikanischer Killer sein Unwesen treibt. Kann sie die Machenschaften der Rüstungslobby beweisen und waren die Anschläge vom 11. September nur Teil eines unfassbaren Komplotts?


14.6

Migrantenstadl

P.A.C.K., Unrast Verlag

Lesung mit Tunay Önder und Imad Mustafa

Das Migrantenstadl, gegründet von Tunay Önder und Imad Mustafa, vereint Texte, Collagen, Fragmente und Dokumente aus fünf Jahren Bloggerei. Es ist auch Ergebnis von 15 Jahren gemeinsamen Denkens und Streitens über gesellschaftliche Zwangsverhältnisse, denen wir alle unterworfen sind. Es stellt marginale Perspektiven in den Mittelpunkt und setzt da an, wo andere aufhören, Fragen zu stellen. Das Migrantenstadl ist unbedingt politisch, subjektiv, laut, poetisch und nüchtern. Es lehnt künstliche Trennungen zwischen Politik, Kunst, Kultur, Migration und Ausbeutungsverhältnissen ab, weil ein solidarisches Miteinander nur durch ein Zusammendenken dieser gesellschaftlichen Sphären möglich ist. In diesem Sinne sind die Beiträge des Buches nicht nur Kritik des Bestehenden, sondern auch als Aufruf zum Handeln zu verstehen.